Seilbahn und Sommerrodelbahn als Therapie gegen Hähenangst
Mancher hats ja mit der Höhe. Ich nicht.
Mancher hats ja mit der Geschwindigkeit. Ich nicht.
Ich hab es eher mit dem Sitzen.
Dem Sitzen und beobachten.
Ich mag zuschauen, wenn andere in luftige Höhen steigen. Mag den Schwindel der mich dann ergreift. Selber in den Höhen mag ich nicht sein.
Und genauso ist es eben auch mit der Geschwindigkeit.
Die kann ich bei Rennspielen an der Konsole unglaublich abfeiern, ich hatte mir vor langer Zeit extra einen Playseat – also einen Rennsitz für Rennspiele – gekauft. Beim Auto fahren kann ich die Geschwindigkeit vielleicht auch noch ertragen, aber bei einer Achterbahn, der Bayernkurve, Schiffschaukel oder ähnlichen Herausforderungen sag ich gerne leise nope.
Bis dann mein Sohn in den Ring trat, um mein Leben nochmal ein wenig umzukrempeln.
Er zeigte mir in welche Höhen ich mich erheben kann ganz ohne Angst. Und dafür musste er noch nicht einmal irgendetwas tun. Er war einfach nur da und Alles veränderte sich plötzlich.
Bei uns war es ein Papa Sohn Urlaub im Harz, der die Sache mit der Höhe und der Geschwindigkeit veränderte.
Konkret: Eine Sommerrodelbahn und die Seilbahn die man nutzen mußte, um auf den Berg zu gelangen.
Laut irgendeiner Definition ist Angst meist einer Situation unangemessen, weil im Grunde genommen gar keine oder nur eine geringe Gefahr besteht.
Aber erzähl das mal jemandem, der in einer rundumverglasten Seilbahngondel steht und in Todesangst erstarrt versucht, nicht auf den Boden zu starren.
Jenen Boden, der sich Meter für Meter weiter entfernt.
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Das macht überhaupt keinen Spaß und so war es bisher immer so, daß ich nach der ersten Stufe einer Leiter aufgegeben habe und mich dankend von irgendwelchen Arbeiten in so luftiger Höhe abgemeldet habe.
Ist nicht gelogen, höher kam ich nicht hinaus.
Thale und große Kinderaugen
Doch zurück in den Harz, zurück nach Thale und zurück ins Tal. Mit dem Blick nach oben. Mit Blick auf die Seile der Seilbahn und ich erinnere mich an den kalten Schweiß der mir den Rücken herunterlief.
Nicht wirklich wegen der sommerlichen Temperaturen.
Neben mir mein Sohn der mit großen Augen auf die ganzen Kinderattraktionen starrte und auch einen Blick auf die Seilbahn warf.
Ihm war klar, daß wir damit fahren würden. Es gab keinen Anlass daran zu zweifeln.
Warum auch, Papa ist ja mit ihm hierher gefahren.
Will ich in so einer Situation dafür sorgen, daß er sein Urvertrauen schon so früh im Leben verliert?
Rhetorische Frage, selbstverständlich musste ich da jetzt durch.
Kurz erklärt was uns da bevorstand, Augen geschlossen, Tickets gekauft und in die Schlange gestellt.
Die war zum Glück nicht lang und so ging es sehr flott in eine der Gondeln.
Die Seilbahn in Thale hat lustig bunte Gondeln und ein paar davon sind oben, unten, rechts und links mit Plexiglas verkleidet, so daß man auch aus versteckten Winkeln garantiert in die Tiefe starren kann.
Nicht verwunderlich, daß wir ausgerechnet in so einer Gondel landeten.
Mit uns saßen ein Papa mit seiner Tochter in der Todesfalle und die hatten – ebenso wie mein Sohn – ganz sicher ihren Spaß.
Vergleicht man diese Seilbahn mit den richtigen Dingern, die ihr zum Beispiel in den Alpen erleiden könnt, dann ist das Kinderkram.
Aber der kann eben auch ziemlich viel Schweiß hervorrufen.
Nach dem Streß ist vor dem Streß
Die Seilbahn geschafft, da konnte es ja gleich weitergehen und in die Sommerrodelbahn. Denn die ist in Thale oben auf dem Berg eine der Attraktionen.
Mit bis zu 45 km/h saust man die knapp 1000 Meter Bahn runter, allerdings sollte man, wenn man schnell fahren möchte, etwas später losfahren als das Personal es gerne möchte, denn vor einem warten immer wieder Weicheier, überbesorgte Eltern und einfach Langsamfahrer, um einem den Fahrspaß zu nehmen. Das Personal kennt das übrigens und ist Rasern gegenüber sehr zuvorkommend. Solange die sich an die Sicherheitsvorschriften halten.
Eigentlich war ich zu diesem Zeitpunkt noch etwas euphorisch, schließlich hatte ich grade dem Tod eins ausgewischt, aber je näher wir der Schlange an der Rodelbahn kamen, desto unsicherer wurde ich.
Wieder half der Kleine.
Auf meinen Hinweis hin, daß ich nicht so genau wüßte, ob ich das mit ihm jetzt machen wolle blickte er mich mit seinen Kinderaugen an, lächelte und sagte die folgenden Sätze, die zwar nachgeplappert waren, die er irgendwann mal irgendwo gehört hatte, die aber die Sache sprichwörtlich ins Rollen brachten:
Ach, Papa. Komm, jetzt sind wir schon hier oben, jetzt können wir auch mal fahren. Oder?
Können wir, mein Sohn.
Sind wir.
Ich danke dir.