Vierundzwanzig

Es ist Heiligabend. In fast jeder Familie sitzt man jetzt zusammen. Vermutlich ist die Stimmung derzeit noch gut. Die üblichen Familienstreitigkeiten werden erst nach dem gemeinsamen Festmahl, nach dem Auspacken der (falschen) Geschenke, oder gar erst am ersten oder zweiten Weihnachstfeiertag über euch hereinbrechen.

So wurde und wird es jedenfalls immer erzählt: Weihnachten, dieses Fest der Liebe und der Harmonie, würde landauf, landab nahezu zwangsläufig zu einem knallenden Aufeinanderprallen liegengelassener Familienzwistigkeiten.

Ich hab da jetzt zahlreiche Weihnachtsfeste hinter mir, mindestens vierundzwanzig davon im Kreis der Familie. Die zugegebenermaßen auch als sie noch funktionierte dysfunktional genug war, um ein chaotisches Weihnachtsfest erwarten zu lassen.

Feuer in der Hütte

weihnachtsbäume im verkauf

Weihnachtsbäume gehören zu Weihnachten dazu. Oder? Zum Glück heute mit Lichterketten und ohne echte Kerzen

Nur dummerweise: grade bei uns liefs immer gut. Gut, vielleicht nicht grade die zahlreichen Weihnachtsfeste früher in der Kinderzeit, wo beim Weihnachtsfondue regelmäßig entweder der Wohnzimmertisch, oder die mit Echtkerzen befeuerte Tanne brannte. (Ganz selten brannten beide gleichzeitig!)

Mit den Jahren hatten wir immerhin Erfahrung, was bei einem spontanen Wohnungsbrand unbedingt vorrätig sein musste. Dazu zählten neben einem Eimer Wasser auch ein sehr großer Eimer Sand. Dazu nahmen wir sehr gerne, jedoch total illegal, den Streusand aus den im Dorf verteilten Streusandboxen. Falls wir ihn nicht brauchen würden in einem Jahr (Was so gut wie nie vorkam!), dann würden wir ihn eben zurückfüllen.

Früher wurde diese Sache mit Energie sparen und Umweltschutz noch nicht so ernsthaft betrieben, wie es heute gerne wird. Wir mussten uns also keine Sorgen machen wegen winterlicher Kälte. Wir konnten nach Belieben heizen. Trotzdem freuten wir Kinder uns insgeheim natürlich über Feuer in der Hütte als alternative Wärmequelle. Als Kind ist sowas wirklich ein wahres Frohes Fest! Dementsprechend halbherzig fielen unsere Löschversuche aus.

Harmonie mit Peter

Aber ich schweife ab. Ich wollte ja eigentlich nur mitteilen, dass wir quasi so voller Harmonie waren an diesen Heiligabenden, dass ich mich das ganze Jahr über hätte fragen können, warum das nicht abseits dieses Festtags klappt. Hab ich mich nicht gefragt, ich war mit den übers Jahr verteilten Familienstreitigkeiten beschäftigt.

Aber nicht alles am Heiligen Abend war wirklich cool. Peter, so gerne ich ihn als Kind auch mochte, Peter konnte an diesem einen Abend richtig nerven! Keine Bescherung bevor nicht die erste Seite der Weihnachtslieder-Schallplatte von Peter Alexander abgespielt (und teilweise sogar mitgesungen!) war. Und ehrlich: so eine Schallplattenseite, abgespielt auf 33, kann ordentlich lange dauern, wenn du auf die Bescherung wartest!

Lied auf Lied säuselte auf uns herab, wie wir da angespannt vor dem Schallplattenspieler saßen. Aus den Augenwinkeln auf den Baum starrend (Nach den ersten Jahren mit den oben beschriebenen spontanen Zimmerbränden waren wir irgendwie ängstlich geworden.) Darauf wartend, dass es endlich dieses typische Geräusch gab, wenn sich die Nadel langsam von der Platte erhob. Jetzt waren es nur noch wenige Sekunden bis zum magischen Satz, wie auch immer der lautete. In meinem Kopf polterte es nur: Geschenke, Geschenke, Geschenke! Da konnte ich mir keinen magischen Satz merken.

Peter war auf Seite 2 angelangt, wir hatten reihum die Geschenke vorbildlich aufgerissen, und die Brandquelle wurde langsam mit Brennspiritus befüllt und angezündet. Es ging ans Fondue. Jeder hatte 2 Spieße. Nach etwas Übung passten da ganz bequem drei Stück Fleisch dran. Das bedeutete also sechs Stückchen Fleisch, alle 20 Minuten. Angereichert mit Silberzwiebeln, Gürkchen, Kartoffeln, Tomaten und zahlreichen Ketchups und Soßen.

Kann mir mal einer sagen, wie man bei so einem Festmahl als Kind in Streit geraten kann? Selbst mit Geschwistern. Die ebenfalls nur zwei Spieße hatten. Alles gerecht verteilt, und wir lebten im Überfluss genug, dass es nicht einmal zu wenig Fleisch gab. Jedes Jahr wieder wurde so viele Tage Fondue gemacht, bis endlich die letzte Kuh vom Tisch war. Naja, oder der Tisch eben heruntergebrannt.

Störfaktor Raclette

Die Zeit bleibt nicht stehen, und die Menschheit entwickelt sich. Egal in welche Richtung, in diesem Fall falsch, hin zum Racelette. An irgendeinem Weihnachtsfest stand plötzlich statt des Fonduetopfes, dieses unansehnliche Racelette-Ding mit den widerlichen Pfännchen auf dem Tisch. Die sollten wir mit Fleisch, Kartoffeln und Zucchini und schlimmerem Grünzeug befüllen, oben drauf unangenehm stinkenden Raclette-Käse draufpacken, unter irgendein für Beilagen-braten zuständiges Oberteil packen, und dann warten.

Warten bis der Stinkekäse sich so weit in das Essen hineingeschmolzen hatte, das der Geschmack nicht mehr wegzuätzen war. Keine Cola, kein Wein, kein Bier, kein Getränk dieser Welt war und ist im Stande ein Raclette mit dem Käse in ein wohlschmeckendes Fastmahl zu verwandeln. Vielleicht begann deswegen der langsame Abschied vom Familienfest Weihnachten?

Die Weihnachtsfeste an denen alle zusammenkamen wurden von Jahr zu Jahr immer seltener. Irgendeiner hatte immer was anderes vor, eigene Familie, Arbeit, platte Reifen, Blitzeis, Magenverstimmung (NACH einem Raclette bestimmt, bei dem Käse!). Manchmal kam der eine am Heiligabend, der andere erst am zweiten Feiertag, wenn der erste schon abgereist war.

Egal wer zusammensaß, die Harmonie war nicht zu stören. Wir konnten uns vorher die Köppe eingehauen haben, Für diesen einen Tag unter der Tanne waren wir eine Familie. Wie gemeinsame Löscharbeiten einen doch zusammenschweissen können, oder?

Frohes Fest

Ich bin kein Freund davon, sich an einem einzelnen Tag im Jahr krampfhaft zusammenzureissen, nur damit der Braten oder das Gemüseschnitzel nicht im Hals stecken bleibt. Aber ich mag das Prinzip, dass man es einfach manchmal auch gut sein lässt. Um einfach einen gemeinsamen Tag geniessen zu können. Das kann ja einfach irgendein Tag im Jahr sein. Aber nun ist es eben mal Heiligabend.

Ich wünsche euch ein Frohes Fest, oder einfach einen angenehmen Tag im Kreis der Liebsten.
Ohne sie wärt ihr Niemand! Sie sind eure Stütze, euer Fixpunkt, sie sind eure motivierendsten Kritiker und die wohlwollendsten Förderer. Seid es auch für sie. An JEDEM Tag.