Der Regen trommelt an meine Fensterscheibe. Es wäre auch aussichtslos durch die Scheibe etwas zu erkennen, wenn meine Augen nicht so voller Tränen wären. Aber sie sind es. Und so verschwimmt die Sicht zwischen Regentropfen und Tränen.
Es wird nicht das letzte Mal sein das ich so weine. Aber es wird das letzte Mal sein, dass ich wegen ihr weine. Es sind Abschiedstränen. Das Fortspülen einer Zeit die so unglaublich schön war und so unerwartet endete. Die jetzt nur für immer Teil meiner Erinnerung sein wird.
Während der Regen draußen keinen Milliliter sanfter donnert, versiegen meine Tränen allmählich. Mein Blick wird klarer, das unkontrollierte Zucken meiner Schultern hört auf. Ein kurzer Augenblick noch, dann wird es vorbei sein. Endgültig.
Hat jemand von euch schonmal bewusst diesen Moment mitbekommen an dem die Liebe plötzlich endet? An dem ihr plötzlich wisst: Sie ist fort? Es hat fast fünf Jahre gedauert. Die Wut die ich zwischendurch empfand hat mich sicher Lebensjahre gekostet.
Wie kann sie einfach weg sein? Ich will es nicht verstehen! Mein altes Problem: Ich will es nicht wahrhaben, halte krampfhaft daran fest. Es kann doch nicht sein! Nein, niemals! Doch, eigentlich immer! Denn immer geht es irgendwie vorbei. Selbst mit der Liebe. Ganz egal wie unglaublich sie begonnen hat.
Uns ist zum Glück weit mehr als nur die Erinnerung geblieben, und mein Sohn liegt nur wenige Meter von mir entfernt in seinem Bett und schläft einen tiefen Schlaf. Er hat heute mal nichts mitbekommen von der Trauer seines Vaters. Zum Glück. War ausgerechnet heute nicht so einfach.
Es donnerte schon früh am Abend. Ein Gewitter war angekündigt, und er hatte Angst. Vor dem Donner, vor den Blitzen. Und davor, dass sie bei uns einschlagen. Da war ich wohl unvorsichtig und hatte zu viel von Überspannung oder Wohnungsbränden durch Blitzeinschlag erzählt.
Als das Gewitter losbrach saßen wir auf dem Sofa und er klammerte sich an meinem Arm fest. Ich zählte mit ihm: 21, 22, 23. Kein Blitz! Das Gewitter war also noch schön weit entfernt. Bei den Blitzen zuckte er zusammen. So lange bis ich ihm zeigte wie wunderschön sie eigentlich sind. Und ich versprach ihm, dass sie uns hier drinnen nichts tun können. Selbst dann nicht, wenn sie in unser Haus einschlagen würden. Was, wie ich sofort versicherte, überhaupt nicht passieren würde.
Die Zeit ist für ihn grade schwierig. Er ist wieder umgezogen, nur für kurze Zeit, bevor er dann erneut in eine neue Wohnung einziehen würde. Und sich wieder alles für ihn ändert. Der ideale Zeitpunkt also, um noch ein bisschen mehr auf das Kind einzugehen und auf ihn zu achten.
Wären da nicht die eigenen Probleme mit der neuen Situation.
Wie unglaublich schwer es doch manchmal ist als Vater oder Mutter tapfer alles wegzulächeln. Hier jetzt, auf dem Sofa, klappte es wunderbar. Die Gespräche kreisten um donnernde Wolken, geschmolzenen Sand und den wichtigen Zettel, der mir beim Öffnen des Fensters vom starken Wind weggeweht worden war.
„Wollen wir Musik machen?“. Vielleicht nicht die gewöhnlichste Frage so spät am Abend während eines ordentlichen Gewitters, aber sowas lenkt sicher ab von der Angst. Also kann die Antwort doch nur Ja lauten? Und schon saßen wir da und spielten Quatschlieder auf der Gitarre. Einfach Akkorde gespielt und dazu Geräusche oder platte Reime rausgesungen. Alles herrlich lustig und eine prima Abwechslung.
Wären da nicht die eigenen Probleme mit der neuen Situation.
Ich bin ein melancholischer, trauernder Mensch. Schon als ich früher Musik gemacht habe waren meine Stücke immer in moll. Und so driftet auch hier der Text langsam ins Traurige. Es geht um Reisen in die Ferne. Es geht darum, dass ich ihn immer dabei habe, selbst wenn er nicht mit dabei ist.
„Papa, ich liebe dich auch!“, höre ich seine tränenerstickte Stimme. Und ich weiss das es stimmt. Und immer stimmen wird. Diese Liebe wird nicht vergehen.